Die Töne der Reinbeker Glocken standen ursprünglich nur auf dem Papier, genauer gesagt, auf einem Briefbogen Hugo Groothoffs. „Sehr geehrter Herr Pastor,“ schrieb der Architekt am 13. Oktober 1900 an Andreas Fries, „Sie haben mir am 11. Oktober 1900 den Auftrag ertheilt, die drei Glocken nebst Glockenstuhl ... bei der Firma Carl Friedrich Ulrich in Apolda zu bestellen ... welche die Töne haben“ – und daneben trug Groothoff handschriftlich die Tonfolge „e“, „g“ und „h“ in ein Notensystem ein. Wenig später legte er die von ihm gezeichneten Entwürfe vor. Mochte es anderenorts auch Kirchen ohne Turm und Kirchtürme ohne Glocken geben – der Reinbeker Kirchenvorstand machte Nägel mit Köpfen: Am 6. November 1900 schloss er den Vertrag. Danach hatte die Firma C.F. Ulrich die drei Glocken aus Bronze mit einem Gewicht von 1.100, 575 und 275 kg samt Armaturen und Glockenstuhl zum Preis von 6 361,00 Mark zu liefern, im Kirchturm aufzuhängen und pünktlich am 1. Februar 1901 zum Läuten zu bringen.
Die Geschichte der Reinbeker Glocken hatte jedoch schon mindestens ein Jahr vorher begonnen. Am 15. Januar 1900 wandte sich der Kirchenvorstand „ganz gehorsamst“ mit der Bitte an Freiherrn von Mirbach, Oberhofmeister der deutschen Kaiserin und preußischen Königin Auguste Victoria in Berlin, „daß die große Glocke der neu zu erbauenden Kirche in Reinbek den Namen Allerhöchst derselben ... tragen“ möge. Das Gesuch wurde durch Schreiben vom5. Februar genehmigt, so dass die große Glocke die Inschrift erhielt: „Kaiserin Auguste Victoria Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, haltet an am Gebet. Römer 12,12“. Die beiden anderen Glocken trugen die Inschriften „Wo der Herr nicht das Haus bauet, so bauen umsonst, die daran bauen. Wo der Herr nicht die Stadt behütet, so wachet der Wächter umsonst. Psalm 127, 1“ und „Lobe den Herrn, meine seele, und vergiß' nicht, was er dir Gutes getan hat. Psalm 103, 2“. Nachdem der Hamburger Organist Alfred Burjam und das Chemische Staats-Laboratorium Hamburg bestätigt hatten, dass sowohl die musikalische Qualität als auch die Legierung aus Kupfer, Zinn, Blei, Zink und Eisen den Vereinbarungen entsprach, wurden die Reinbeker erstmals am 21. Juli 1901 von den Glocken zum Gottesdienst zusammengerufen.
Als der Erste Weltkrieg immer länger dauerte und Material immer knapper wurde, musste Reinbek die beiden größeren der drei Glocken am 11. Juli 1917 für Kriegszwecke abgeben. Doch wurde es durch den außergewöhnlichen Einsatz der Gemeinde schon am 10. September 1923 möglich, Ersatz – wieder in der Stimmung „e“ und „g“ – bei der Fa. Franz Schilling Söhne in Apolda zu bestellen: Trotz Inflation und Wirtschaftskrise kam der Kaufpreis von 3717 Goldmark ausschließlich durch Spenden aus der Gemeinde zusammen. Die in Reinbek und Wentorf wohnhaften Großkaufleute konnten dafür wertbeständige 885 US-Dollar beschaffen. Die Naturalstiftung von 1.560 kg Marine-Bronze eines einzelnen Bürgers trug das Ihrige dazu bei. Die neuen Glocken wurden am 9. November 1923 geliefert – es war zufällig der Tag von Hitlers Putschversuch in München – und am 25. November 1923 eingeweiht.
Im Zweiten Weltkrieg wiederholte sich das Schicksal der Reinbeker Glocken aus denselben Gründen wie im Ersten Weltkrieg: Die beiden größten Glocken wurden am 15. April 1943 abgenommen und eingeschmolzen. Sobald es nach dem Krieg wieder sog. Eisenscheine gab, wurden dafür 1947 drei Stahlglocken in der Stimmung „g“, „b“ und „c“ und mit einem Gesamtgewicht von 2,041 t beschafft. Sie kosteten – kurz vor der Währungsreform – 4060 Reichsmark.
Die Ergänzung der einzigen noch aus dem Jahr 1901 stammenden Bronzeglocke durch zwei Stahlglocken hatte der Kirchenvorstand verworfen, weil man dafür den Kirchturm hätte baulich verändern müssen und weil das Klangbild ungünstiger geworden wäre. Die ausgemusterte Bronzeglocke wanderte auf den Reinbeker Friedhof, wo sie noch heute schräg gegenüber der Kapelle in einem Holzgestell hängt. Sie läutet bei jedem Begräbnis, wenn der Sarg und die Trauergemeinde die Friedhofskapelle verlassen.
Zum vorläufig letzten Mal verändert und dieses Mal um eine vierte Glocke erweitert wurde das Geläut der Maria-Magdalenen-Kirche im Jahre 1988, als die Lebensdauer der Stahlglocken erschöpft war. Die neuen Glocken der Hamburger Firma Iversen, Dimier & Cie zum stolzen Preis von 72 055,98 DM wurden auf die Töne „fis“, „a“, „h“ und „d“ gestimmt.
Die erste trägt die Inschrift „In memoriam: Berhard Rogge. Christus spricht: Ich bin die Auferstehung und das Leben, wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt. Joh. 11, 25“. Die Inschrift der zweiten Glocke lautet: „Gestiftet in Erinnerung an Familie Ludwig Bethause. Gott ist Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm. 1. Joh. 4, 16“. Auf der Wandung der dritten steht: „Lobe den Herrn meine Seele und vergiß' nicht, was er dir Gutes getan hat. Ps. 103, 2“ – in Erinnerung an das erste Geläut von 1901. Auf der vierten Glocke schließlich hat sich die „Maria-Magdalenen-Kirche zu Reinbek“ mit der Aufschrift verewigt: „Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller. Eph. 4, 5“.
Am 18. Dezember 1988 wurde das neue Geläut eingeweiht.
Möge sein Klang nie wieder durch Krieg unterbrochen werden.
Quelle: Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum 2001
Verfasser: Dr. Dirk Bavendamm