Es kann beglückend sein, den Blick einmal über den Tellerrand unserer Gemeinde hinaus zu heben:
Eine Gruppe Frauen aus unserer Gemeinde traf sich daher an einem Samstag Mitte Juli, mit Sonnenhut, Kaffeekanne und Picknickkorb, um gemeinsam einen Tag in der Südheide – im Kloster Wienhausen bei Celle – zu verbringen.
Ein nicht zufällig gewähltes Reiseziel: Eines der Mitglieder unseres Frauenzirkels, der sich regelmäßig als Hauskreis trifft, war zehn Jahre lang Konventualin in dem Frauenstift. Und so erhielten wir eine sehr ausführliche, sehr persönliche Führung durch dieses ehemalige Zisterzienserinnenkloster, das im 13. Jahrhundert von Agnes von Landsberg – Schwiegertochter Heinrichs des Löwen – gegründet wurde. 1617 hielt dort die Reformation Einzug: Man legte den Nonnenhabit ab und die Stundengebete wurden in Tages- und Abendgebete umgewandelt. Fortan war es ein evangelisch-lutherischer Frauenkonvent.
Heute leben und arbeiten hier zwei Äbtissinnen und einige Konventualinnen.
Ihr Motto ist uns vertraut: Ora et Labora. „Labora“ war überall zu erkennen: Wir betrachteten die mit Liebe zum Detail tadellos gepflegten Räumlichkeiten, Kunstwerke und Außenanlagen und liefen durch beeindruckend lange Gänge mit sorgsam geweißten Wänden und Decken, in allen Fenstern rote Geranien. Da im Konvent nicht fotografiert werden darf, muss an dieser Stelle eine Beschreibung reichen. Zum „Ora“: An die romanische Gemeindekirche schließt sich unmittelbar die gotische Klosterkirche mit ihrem Nonnenchor an: ein hoher Saal mit Gewölbedecke, die – einmalig nördlich der Alpen, erklärte man uns stolz – vollständig mit biblischen Motiven aus dem Alten und Neuen Testament sowie Ornamenten ausgemalt ist, ebenso wie die Wände. (Hier ein Detail aus dem Himmlischen Jerusalem, eine Postkarte aus dem Kloster-Shop)
Wir standen auf dicken, unregelmäßigen Holzbohlen, hunderte Jahre alt, und saßen in uraltem Gestühl. Auch die Akustik ist wunderbar, davon konnten wir uns bei der Andacht überzeugen, die wir dort abhielten: Unser zweistimmiges „Lobe den Herrn, meine Seele“ klang deutlich voller und runder als im Wohnzimmer. Im Nonnenchor werden jedoch nicht jeden Tag und auch nicht das ganze Jahr Andachten gefeiert: Er ist unter anderem nicht beheizbar.
In der Zeit zurückversetzt fühlte man sich auch im Dormitorium: Dort stehen auf Fluren die Schränke und Truhen, in denen die Bewohnerinnen einst ihre Besitztümer mitbrachten. Die Zellen (die trotz radikaler Schlichtheit auf gewisse Art wohnlich wirkten) waren für gewöhnlich zu klein, um sie dort zu stellen.
Das Stift besitzt ferner eine wertvolle Teppichsammlung – als Wollstickerei auf Leinen hergestellte gotische Bildteppiche, die zwischen 1300 und 1480 entstanden sind – und hat sich darauf spezialisiert, diese Stickkunst weiterzugeben: Hier wird der so genannte Klosterstich gelehrt.
In der Parkanlage um den Konvent fanden wir, mit Eindrücken aufgeladen, zwei Bänke im Schatten der Bäume – wie bestellt für ein Picknick mit regem Austausch über das Gesehene und Gehörte und über Zukunftspläne für unsere eigene Gemeinde.
Ein beeindruckender Ort! Ein Besuch sei wärmstens empfohlen. Man muss auch gar nicht über Beziehungen verfügen, um dort herumgeführt zu werden.